Gott ist ein Kreativer – kein Controller
Gott ist ein Kreativer – und kein Controller
Im Gespräch mit Frank Dopheide
Zu den Kanzler-Kandidat:innen der bevorstehenden Bundestagswahl
Ich erkenne große Traurigkeit. Ich erkenne Fake-Leadership, aber nicht irgendjemanden der die Ärmel hochkrempelt, die Dinge in die Hand nimmt, tapfer genug ist, eine eigene Vision oder Zielrichtung zu entwickeln und ich glaube, das spüren irgendwie alle. Wenn das das Beste ist, was Deutschland an politischer Führung zu bieten hat, dann fühlen wir uns alle nicht gut. Und deshalb gibt es wahrscheinlich auch noch so viele Unentschiedene und Unentschlossene und man hofft, dass sich noch irgendetwas ändert, auch wenn wir nicht genau wissen, wie das passieren soll.
Zur Motivation für das Buch
In erster Linie ist es Kampfgeist, in zweiter Linie ein großes Ungerechtigkeitsgefühl und in dritter Linie großer Optimismus. Wir haben die Kreativität abgeschaltet. Die rechte Gehirnhälfte ist in der Welt der Wirtschaft gar nicht mehr im Einsatz. Woran können wir das sehen? Die Logik entscheidet mittlerweile allein. Du kannst als Unternehmenslenker uninspiriert sein, du kannst unmoralisch sein und dann kannst sogar unerfolgreich sein, solange deine Entscheidungen nicht unlogisch werden und du allen erklären kannst, warum du das jetzt gerade so entschieden hast. Das führt aber dazu, dass wir alles, was für Menschen auch wertvoll ist – obwohl da gar kein Preisschild dran ist – zur Seite schieben. Somit haben wir für jede Lösung immer nur ein logisches Problem. Wir betrachten die Probleme der Welt wie eine Mathematikformel. Alle gucken drauf und alle kommen, rein logisch betrachtet, zu der selben Erkenntnis und zu der selben Logik. Das ist wie ein Navi, dass nur eine Route hat und da sind alle unterwegs und da ist Stau. Und deshalb glaube ich, mit dem logischen Denken, mit dem reinen Effizienzdenken á la „wir sourcen alles out“, „wir schneiden alles raus“, „wir optimieren uns im Detail“ kommen wir allmählich in eine Sackgasse. Die Kreativen unterscheiden sich massiv davon, weil die überhaupt neue Gedanken haben, die sie in die Welt bringen können. Die können etwas Neues von Wert schaffen und das ist jetzt mal gefordert. Wir sind mit unserem alten System, egal, ob wir Autos bauen, wie seit hundert Jahren, Zeitungen drucken, wie seit hundert Jahren, dieselbe Kopfschmerztablette schlucken, wie seit hundert Jahren, Strom produzieren, wie seit dreihundert Jahren allmählich in eine Sackgasse geraten und jetzt brauchen wir den gedanklichen Sprung, was in der Natur Mutation heißt.
_Zur Frage, inwieweit auch die Agenturszene vom „Logikproblem“ betroffen ist _ Das ist todtraurig. Hier ist ja wirklich die große kreative Kraft. Menschen, denen etwas Neues einfällt, die hohe Empathie … Einfühlungsvermögen in unterschiedliche Zielgruppen, Lebensformen usw. haben. Die übrigens auch sehr zäh sind und Nächte durcharbeiten können und aufs Wochenende verzichten, weil sie an bestimmte Ideen glauben. Und weil sie ja immer ein magisches Element haben, um zu hören: Wie seid ihr denn jetzt auf diese Idee gekommen? Wie kann diese Idee wertvoll sein? Wann immer Kreative ins Spiel kommen, erhöht sich der Wert eines Produkts, weil er nicht nur auf den reinen Erschaffungswert zurückzuführen ist. Dann kostet eine Louis Vuitton Tasche wahrscheinlich eher 29,90 EUR. Dann ist folgendes passiert: Man hat die Kreativität der Magie beraubt. Du hast die kreativen Prozesse auseinander geschraubt. Da war erst die Strategie, dann hast du Richtungen abgestimmt, dann hast du die Richtung in Überschriften formuliert, dann hast du die Überschriften mit Bildern illustriert und dann wurde praktisch gar nicht mehr das Gesamterlebnis zelebriert, sondern Stückchen für Stückchen für Stückchen, wie beim Auto, ein Produktionsprozess daraus gemacht. Dann hast du – auch grausam – nicht nur die Magie, sondern auch den Wert weggenommen, weil du auf einmal auf Stundensätze gegangen bist. (Beispiel:) „Wie lange brauchst Du denn als Texter, um dir da mal einen guten Satz einfallen zu lassen? Länger als einen Tag ja wohl nicht!“ Und ganz zum Schluss, das war vielleicht der größte Fehler von allen, haben wir gesagt: „Wir kreativen Leute fangen an zu denken, wenn Ihr ein Mediabudget habt. Solange Ihr keinen Mediaplan habt, braucht Ihr uns doch gar nicht.“ Solange es irgendetwas mit Menschen zu tun hat, mit Kommunikation, mit Vertrauen und Glauben, können kreative Geister innerhalb der Werbeindustrie zu Lösungen beitragen. Was wäre es eigentlich wert zu sagen, wir haben da übrigens eine Idee, wie sich jetzt einmal 15 Millionen Deutsche mehr impfen lassen. Hier ist unser Beitrag. Mein Gefühl ist, das wäre Milliarden wert. Aber das wird gar nicht abgerufen, weil das nicht mit Mediaplanung unterlegt ist.
Weiterführende Links:
Frank Dopheide: Gott ist ein Kreativer kein Controller
Interview absatzwirtschaft: Warum ist Excel eine Erfindung des Teufels, Frank Dopheide?
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